Sonntag, 16. März 2008

Nachlese

Jette war mal wieder unterwegs. Diesmal: Die Leipziger Buchmesse

Nach der Buchmesse habe ich im Zug endlich auch wieder gelesen, gerade solange, bis mich meine Sitznachbarin, wegen meines wiederholten Gekichers auf das lustige Buch ansprach, dass ich mir, wie sie annahm, auf der Buchmesse gekauft hätte.
Nein, sagte ich, hierbei handele es sich um etwas älteres, dass der Autor selbst und nur für mich in einem Antiquariat ersteigert hatte, damit ich es auch endlich mal lesen könne.
Tja, so was gibt’s.
Ich drehe die Zeit gute zehn Stunden zurück.

Leipzig empfängt uns mit Regen und ich pilgere mit vielleicht 500, vielleicht aber auch viel mehr anderen Reisenden vom Bahnhof zum Messegelände, weit und breit kein versprochener Zubringerbus. Leider hat nur etwa jeder 100ste an einen Schirm gedacht, so dass wir alle einigermaßen durchfeuchtet, aber sehr tapfer und ohne murren die Hallen erreichen.
Ein dampfendes Heißgetränk wäre nun tröstlich, oder wenigstens ein freundliches "Herzlich willkommen" oder gar "tut-uns-leid-dass-es- schon-wieder-regnet", - aber nein, das erste Wort, das uns empfängt ist: "falsch".
Na prima, denke ich. Das fängt ja richtig gut an.

In der Empfangshalle ist, nun wo wir da sind, auch schon ein bisschen was los und viele Tische für spätere Erschöpfungspausen stehen nach Bierzeltmanier bereit. Etwas Zeit vergeht bis zum eigentlichen Startgong und die Besucheranzahl ist bis dahin mindestens auf die (gefühlte) zehnfache Menge angestiegen, die nun mit aller Macht in die eigentlichen Messehallen drängt.

Ich löse mich schnell aus dem Hauptpulk, gerate irgendwie in den hinteren, noch sehr unbesuchten Bereich und damit an einen extrem schlecht gelaunten Standbetreuer und ich tue alles dafür, um seine Laune weiter ins bodenlose fallen zu lassen. Das ganze passiert, während ich einen sehr großen, bunten Nachdruck eines sehr alten Atlas lächelnd anstaune und der Misslaunige dazukommt und genervt gelangweilt anfängt, mir zu erklären, dass es sich hier um einen alten nachgedruckten Atlas handele (ach ja?) und zwar auf handgeschöpftem Papier.
Schade, sag ich, dass man davon gar nichts bemerkt, also von der mühevollen Arbeit des Handgeschöpften und dass die schöne, wellige Struktur leider nur als Effekt auf’s ziemlich glatte Papier aufgedruckt wurde.

Einige Radio- und Fernsehstudios buhlen dicht nebeneinander um Aufmerksamkeit, Interviews mit mehr oder weniger bekannten, überwiegend männlichen Autoren sollen das überwiegend weibliche Publikum anlocken. Einen gewissen „Stumpfi“ sehe ich im Laufe des Tages auf verschiedenen Bühnen, offenbar haben wir das gleiche Pilgertempo und die gleiche Richtung eingeschlagen, nur dass er dafür bezahlt wird und ich meine mitgebrachten harten Eier essen muss.

Ununterbrochenes tausendfaches Gebrabbel schallt durch die Hallen, ein vorlesender junger Mann kommt gegen diese Brandung nicht an und starrt einigermaßen verzweifelt durch seine langen blondierten Ponysträhnen hin auf sein angeknittertes Manuskript.
Gruppen von Halbwüchsigen füllen alle zehn Minuten irgendwelche Arbeitsbögen aus, sie sind offenbar mit ihren Schulklassen da und ich versuche mein Exposé für "Erwin" (siehe Beitrag im Januar) bei dem einen oder anderen Kinderbuchverlag einer Lektorin unterzujubeln.

Irgendwann braucht man auch mal eine Pause und zum Glück gibt es an vielen Orten vielerlei Sitzgelegenheiten. Die bequemsten sind natürlich entweder dauerbesetzt, irgendwelchen wichtigen Geschäftspartnern vorbehalten oder befinden sich auf einer Bühne und ich bin kein geladener Gast.

Also bleiben mir nur Holzstühle in modernen Varianten, aber deshalb noch lange nicht bequemer als alte Gartenstühle. Oder die Steinstufen an den Längstseiten der zentralen Glashalle und wenn man hier das Glück hat, einen der zwei Stromverteilerkästen zu erwischen, dann hat man sogar eine Rückenlehne bei gleichzeitiger Hochlagerung der schwergewordenen Beine.

Am besten allerdings ist es im Raucherpark. Hierbei handelt es sich um ein kleines Gelände zwischen zwei Hallen mit einer verglasten Überbrückung, einem rechteckigen See, einem gelben Kieselstrand, einer Halbinsel und einer Insel mit sieben Bäumchen. An zwei Seiten außerdem bestückt mit einigen Bänken zwischen weiteren Bäumchen. Bis hierher kommen die Raucher allerdings nicht, denn die halten sich am liebsten in der direkten Nähe der regensicheren, überdachten Türen auf, sie wollen ja auch ganz schnell wieder rein. Ich hingegen will die relative Ruhe genießen und versuche die drei Jugendlichen zu ignorieren, die offenbar auch eine große Sehnsucht verspüren, aber das ist eine andere, nämlich ihre eigenen Stimmen mal wieder laut und deutlich zu hören.


Anschließend gerate ich noch an einen kleinen Stand mit lustigen Ausschneidebögen, aber das hatte ich an anderer Stelle ja schon erwähnt.

Und was ist jetzt eigentlich mit den Büchern?
Bücher? Wieso Bücher?
Hab ich gesagt, dass ich wegen irgendwelcher Bücher nach Leipzig fahre?

Die Rückfahrt jedenfalls startet am Bahnsteig 10a. Das klingt ein bisschen wie neundreiviertel und tatsächlich verbirgt sich das Gleis zwischen zwei ordentlichen Gleisen, versteckt hinter einem Pfeiler. Ich bin froh, dass mich niemand überredet, dagegen zu rennen...

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