Dienstag, 30. März 2010

Neuköllner Wiewörter

Vor dem Laden steht eine Tafel, auf der steht, dass hier "neuköllner Designer" ihre Produkte feilbieten.
Das adjektivierte Substantiv "neuköllner" natürlich klein geschrieben.
Und schon geht der Streit los: Das Wort sei kein Adjektiv und müsse unbedingt groß geschrieben werden, es sei denn, man würde "neuköllnische Designer" schreiben! Aber "Neukölln" sei kein Eigenschaftswort.
Nö. Das ist wohl wahr, hat auch niemand behauptet, "Neukölln" ist kein Eigenschaftwort. Und "der Neuköllner" auch nicht. Aber seit wann heißt es denn "der neuköllnische Einwohner" oder "in den neuköllnischen Straßen"? Das Argument und der Umstand, dass es eine hier "Köllnische Heide" gibt, erklärt gar nichts, denn die ist nicht neu und wird als Eigenname groß geschrieben.

Der Gedanke hinter der vehementen Ablehnung der Kleinschreibung rührt möglicherweise daher, dass es sich hier nicht um eine Eigenschaft wie rot, laut oder gruselig handelt, sondern um eine Zugehörigkeit.
Die Designer leben in Neukölln, sind also zu Neukölln gehörig und deshalb wird es groß geschrieben.

Die Argumentation, man könne "neukölln" als Eigenschaft nicht steigern und deshalb sei es kein Eigenschaftswort, ist nicht stabil, weil es auch andere absolute Eigenschaften gibt, die nicht steigerbar sind, wie z.B. schwanger oder tot.

Wenn man sich mit der Frage nach dem "Wie?" weiterhelfen will, so wie es viele in der Grundschule gelernt haben, kommt man allerdings auch nicht weiter, denn viele Eigenschaften werden nicht mit "wie" sondern mit "was" abgefragt.
Wie ist Hilde in der Schule? Gut.
Was ist Hilde ansonsten? Schwanger.

Nochmal anders:
Was ist Hilde? Eine schwangeres Mädchen.
Was ist der Designer? Ein neuköllner Ureinwohner.

Nach diesen vielen Überlegungen haben sich dann aber doch noch die nötigen Rechtschreibregeln zur Problematik angefunden:

Von Eigennamen abgeleitete Adjektive schreibt man im Allgemeinen klein (§62).
Von geographischen Namen, zum Beispiel:
österreichisch
schweizerisch
ungarisch
guatemaltekisch

Von geographischen Namen abgeleitete, unveränderliche Adjektive auf -er werden großgeschrieben (§61). Zum Beispiel:
der Berliner Bürgermeister
Elsässer Weine
die Innsbrucker Innenstadt
ihre Osloer Amtskollegin
die Thüringer Industrie
Und so hat am Ende jeder ein bisschen Recht: der "Neuköllner" Designer wird zwar tatsächlich groß geschrieben, ist aber trotzdem ein Adjektiv!

Genial!

PS: Jedoch, liebe U., "so schlimm, dass es in den Augen weh tut" finde ich’s nach wie vor nicht!

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