Samstag, 5. April 2008

Wer hats gemerkt?

...gestern habe ich ein schönes und beliebtes Wort meiner Kindheit wiederentdeckt: verpflümen. Wahrscheinlicher wird es aber vielleicht doch ohne p geschrieben: verflümen.
Und dann gibt es auch noch die Wendung verpflümeln/verflümeln.

Zunächst die Bedeutung:
Unauffällig aber zügig weggehen, verkrümeln, verziehen, dünne machen, verzischen, aus dem Staub machen, einen Abflug machen, sich unsichtbar machen...

Welche Schreibweise ist nun aber die richtige und warum?
(Und - wie Ulrich Roski auf seiner ersten LP 1970 schon einst richtig sang: "...das sind Fragen, die das Leben stellt, an dich, an dich und an dich!")
Heutzutage führen erste Forschungswege meist über google und dort finden wir desolate Zustände:
Dieses Wort scheint beinahe ausgestorben, google jedenfalls weist nur 5 Ergebnisse für 'verpflümen' auf und 1 Ergebnis für 'verpflümeln', 1 Ergebnis für 'verflüme' und 8 für 'verflümt', davon die meisten mit der oben genannten Bedeutung und nur die aus einem elsässischen Wörterbuch der Uni Trier mit anderer Erklärung.

Und das macht natürlich neugierig.
Das Elsässische Wörterbuch hat so seine Tücken, denn der erklärende Text ist im Hintergrund versteckt und nur wenn man das kleine +-Zeichen mehrmals anklickt hat man eine Chance auf Lesegenuss. Das lothringische, rheinische und pfälzische WB kommen offensichtlich vom gleichen Programmierer...
.... ..
Das was da steht ist vielleicht in der etwas kürzeren lothringischen Form bedingt leichter verständlich:

ver-flumpt adj. u. adv. Lix. u. s. Glimpfform für verflucht: du verflumpter Schlappes! – els. 1, 169 verfluemt.
Was für ein putzig klingender Fluch! Und als Zugabe: was lehren mich diese Wörterbücher ganz nebenbei? Dass es zum Unglimpf auch einen Glimpf gibt, so wie das Geziefer, die Holde und Getüme (siehe unten) . Nur die Bolde krieg ich noch nicht richtig zugeordnet, aber das ist eine ganz andere Geschichte.

So, nun aber zur eigentlichen obenstehenden Worterklärung:
‚verflucht’ passt in keiner Weise zum Sinn des Verflümelns meiner Kindheit.
Und zum ‚verflucht’-Sinn gibt es auch nur ein einziges nicht-lexikalisches google-Fundstück.

Wie ist nun aber dieses Wort in meine Berliner Kindheit geraten? Die Franzosen, (auch wenn Elsass und Lothringen quasi dazugehören), bzw. die Hugenotten kann man diesmal wohl kaum verantwortlich machen. Es gibt im Französischen auch kein ‚flume’ oder irgend so etwas.

Aber im Englischen. Dort handelt es sich beispielsweise um eine Wasserabflussrinne oder einen Windkanal, das käme dem Sinn auch ein bisschen näher und vielleicht hat dieses Wort seinen Weg vom angelsächsisch über das Plattdeutsche nach Neukölln gefunden. Wer weiß?

Im Rheinischen gibt es die Worte 'Flum' und ‚flümen’ ohne ‚ver’. Flümen soll so etwas wie 'trüben' bedeuten. Auf-flümen könnte man beispielsweise einen Teich, in dem man den Grund aufwirbelt un damit das Wasser trübt.
Das klingt ganz wunderbar nach 'unsichtbar machen' (siehe ganz oben).

Mir fiel als erstes (bevor ich mich auf google und diverse Wörterbücher stürzte) assoziativ das Wort Flaum ein.
Und mit dem Flaum kommen wir der Sache über einen anderen Weg sehr nahe: Wie eine Flaumfeder leicht und geräuschlos mit dem Wind verschwindet, so soll es auch der handhaben, der zum Verflümeln aufgefordert wurde. Und so scheint es auch der wichtigen Schraube ergangen zu sein, die nirgends mehr zu finden ist. Sie hat sich verflümelt.

Ob das Verflümeln nun eher mit dem rheinischen 'flümen' verwandt ist, wie einiges in der berlinischen Sprache oder doch mehr mit dem Flaum, das wird wohl offen bleiben. Tendenzen sind aber nicht zu übersehen.

Nun nochmal zur Schreibweise: Der 'Flaum' wurde (laut Duden) im mittelhochdeutschen 'pflume' geschrieben und im althochdeutschen 'pfluma', das aus dem lateinischen 'pluma' entlehnt wurde.
Da sind wir plötzlich und hopplahopp ganz schnell beim Plumeau (= ein Wedel aus Federn, aber auch als 'Plümo' gerne, sowohl im rheinischen als auch im berlinischen benutztes Wort für eine Federbettdecke) gelandet - und haben so die Kurve zum französischen doch noch gefunden! Und vermutlich ist der einen oder dem anderen schon ganz plümerant...

Dieser laienhafte pseudo-sprachwissenschaftliche Beitrag erhebt keinerlei Anspruch auf Richtigkeit, sondern soll bestenfalls dazu anregen, selbst mit Spaß auf Spurensuche zu gehen.


PS: Wer sich mehr für Holde und Getüme interessiert, sollte unbedingt dieses kleine aber feine und vor allem aufklärerische Leporellobuch besitzen: "Von den Holden und Getümen", erhältlich über projekte(a)ikadu. de (Betreff: Holde)

PPS: Der Wahrscheinlichkeit zu liebe habe ich meine Schreibweise aktualisiert und im gestrigen Beitrag ein 'p' gestrichen.

PPPS: Ich habe das Wort 'verflümeln' gerade noch in die Liste bedrohter Wörter gesetzt und als Kandidat für eine Wortpatenschaft angemeldet.

PPPPS: Das Wort 'Glimpf' war mir bis jetzt tatsächlich nur in der Verbindung 'verunglimpfen' bekannt. Es scheint aber ein Wort zu sein, dass sich mehr Bekanntheit und Beliebtheit erfreut, als ichs ahnte. Nur das DWDS scheint auch nicht sehr viel damit anfangen zu können

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