Freitag, 30. Mai 2008

Notizblock? Stift?

Heute Vormittag hatte ich einen Termin, zu dem ich was zum Schreiben hätte mitnehmen müssen, was ich aber vergaß. Ach, dachte ich, es kann ja nicht so schwierig sein, irgendwo auf der Strecke werde ich schon einen Laden finden, in den ich schnell mal reinspringe und in dem mir ein freundlicher Händler für die notwendigen Dinge des Alltags einen Notizblock und einen Kuli verkauft, - obwohl mir durchaus gleichzeitig durch den Kopf ging, dass ich in Neukölln kein einziges Schreibwarengeschäft mehr nennen könnte, die haben allesamt – ca. vier Stück - in den letzten zweieinhalb Jahren dicht gemacht.
Aber Neukölln ist ja nicht überall und woanders schreibt bestimmt noch mit der Hand.

Pustekuchen. Auf der Strecke von über fünf Kilometern Richtung Mitte – kein einziger Schreibwarenladen, nicht mal im näheren Umkreis von Schulen – aber auch kein Zeitungs- oder was-weiß-ich-Geschäft, in dem man wenigstens einen harmlosen kleinen Block kaufen könnte. Von mir aus auch mit einer Diddlmaus drauf. Mein Patenkind hätte bestimmt eine weitere Verwendung dafür.
Meine Rettung war schließlich einer, der im Laufe der "Ich hab-jetzt-auch-einen-Drucker!"-Jahre sehr selten gewordenen Copyshops, dessen Inhaber zwar zunächst die Vokabeln "Notizblock" und "Stift" fremd waren, bei dem ich aber im Regal ganz aufgeregt entdeckte, was ich so sehnsüchtig suchte.
Ganz offenbar verstand er meine Freude nicht und berechnete mir zur Beruhigung den doppelten Preis für 50 Blatt Papier und einen einheitsblauen Wegwerfkuli!

Der Rückweg führte mich ein paar Stunden später mal wieder in die "alte Heimat" und zwar in die Markthalle am Marheinekeplatz. Ein Juwel für Touristen, denen bestimmt schon im Bus erklärt wird, dass der nächste Programmpunkt eine typisch Berliner Institution mit über 120jähriger Tradition sei: Eine Markthalle. Die Marheinekehalle ist aber nicht irgendeine und schon gar keine typische Markthalle. Sie wurde nämlich gerade mal wieder restauriert und hat diesmal durch diese – meiner Ansicht nach – sehr unüberlegte Maßnahme völlig ihr altes Gesicht verloren. Als ich Ende der 80er Jahre dort hingezogen war, befanden sich an der Fassade, die jetzt aus einer Glaswand besteht (Richtung Süden – besonders intelligent, das heizt so richtig und lässt die Kühltresen anständig brummen, denn hier sollen schließlich frische Lebensmittel verkauft und kein Sonnenbad genommen werden!) – also an der Fassade befanden sich große Bilder, die sogenannte Berliner Originale darstellten, als da sind der "Eckensteher Nante", "Bolle", die "Blumenfrau Jette", ein Leierkastenmann, ein Amtmann (oder Schutzmann?) und mehr *. Leider wurden die – anstatt sie auch zu restaurieren („die ollen Dinger brauchn wa jetze och nich mehr!“) - als erstes vernichtet, als vor ca. 20 Jahren auch eine radikale Restaurierung stattfand. Aber wenigstens blieb damals der allgemeine Eindruck erhalten im Gegensatz zur heutigen Glas- und Stahl-Konstruktion.
Das Gasthaus Herz hat den letzten Umbau auch nicht überlebt und statt preisgünstiger Gästezimmer und klappriger , aber stilechter Eisen-Holz-Gartenstühle am Brunnen stehen dort jetzt Luxusmöbel für die Gäste aus anderen, möglichst wohlhabenden Bundesländern.
Ob die Spatzen wohl immer noch ungeniert die Maiskörner von den frisch servierten Tellern klauen? Nebenbei bemerkt, haben sie sich aber nur für die kleinen, feinen Keime interessiert, der Rest blieb unbeachtet unterm Tisch liegen....

Die Modernisierung auch nicht überlebt hat (ohne Kommentar) der einzige Schreibwarenladen weit und breit...

*) Da meine Erinnerung auch etwas getrübt ist: kann ich nur Vorschläge machen, wer wohl noch dabei war:
Onkel Pelle, Harfen-Jule, Pinsel-Heinrich, Strohhut-Emil, und der Mann mit der Pauke
Über die allesamt kann man bei Luise nachlesen.


Hier entsteht gerade ein Beitrag zur Marheinekehalle bei Wiki.

Hier ein Text aus "Daheim", 1886 zu den Berliner Markthallen im allgemeinen.

Und hier noch was aus der Planungsphase, wo es heißt:

Bessere klimatische Verhältnisse können unschwer durch Dämmmaßnahmen im Dachbereich sowie eine funktionierende Umluftanlage geschaffen werden.
Das Ergebnis: Die Luft ist trotz aktuellem Rauchverbot so schlecht und stickig in der Halle wie nie zuvor....

Und zum Schluss:
Ein lecker Stückchen Pustekuchen

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