Neulich auf dem U-Bahnhof. Linie 7, Richtung Rudow.
Eine Gruppe circa 16jähriger Jungen und Mädchen kommt die Treppe herunter und bleibt nahe der Bank stehen, auf der ich sitze und auf den Zug warte. Vom anderen Ende des Bahnhofs tönt Brahms herüber, eine einsame Geige ohne Orchester-Playback aus dem Kassettenrecorder und viel zu schnell, so dass schon mal hier und da die eine oder andere Phrase unter den Tisch, beziehungsweise zwischen die Schottersteine der U-Bahngleise fällt.
Achmed und Hasan sondern sich von der Gruppe ab und stehen nun ganz nah bei mir.
"Du musst einfach so sein, wie du bist", sagt Hasan eindringlich zu Achmed und Achmed zuckt mit den Schultern.
"Doch, gerade bei den Mädchen und überhaupt, sei einfach so wie du bist, das ist das beste, glaub’s mir!" Dabei fasst er dem einen Mädchen das gerade ein paar Schritte näher gekommen war, ans Kinn und zeigt sie Achmed, wie eine schöne Ananas. Achmed blickt betreten auf den Boden und fügt schüchtern hinzu:
"Aber ich wollte doch jetzt eigentlich mal den Harten machen."
Jäh in diesem Augenblick juchzt Mehmet entzückt auf, ein Junge aus der restlichen Gruppe.
"Antoni Vivaldi, die vier Jahreszeiten!" Ja, er hatte recht, der Geiger am anderen Ende Bahnhofs war in seinem Repertoire fortgeschritten und spielte nun Vivaldi genauso gnadenlos wie Brahms. "Der Frühling!" setzt Mehmet hinzu, „gleich kommt die Stelle wo die Vögelein zwitschern!“ Nun hält Mehmet gar nichts mehr und er läuft los, den flotten Geiger zu suchen, begleitet von zwei anderen Jungs, und der harte Achmed schaut hinterher. Mehmet ist, wie er ist und er ist beliebt bei den Mädchen.
Und ich habe einen kleinen Glücksmoment. Das Wort "Vögelein" aus entzücktem jugendlichen Mund hat mich hingerissen und mir trotz Kopfschmerzen den restlichen Tag versüßt.
Neuköllner Wüste
vor 3 Tagen
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