Dienstag, 22. April 2008

Telefon-Service

Gestern:
Ich bin gerade fertig, angezogen, Schlüssel und - by the way - die Mülltüte in der Hand, da klingelt es. Ich gehe zur Gegensprechanlage "Ja bitte?" frage ich, da ich keinen Besuch und keine Paketpost erwarte, denn ich öffne niemandem, der sich nicht als fähig erweist, seine Absichten zu erklären, wenn er schon bei mir klingelt und doch gar nicht zu mir will. Die Antworten lauten mit den verschiedensten Akzenten meist gleich: "Werbung bitte." Nein Danke, denke ich und drücke doch auf den Knopf. Diesmal ist es aber anders, diesmal ertönt ein unflätiger Befehlston: "Telefonservice, machen Sie auf!"
Ich denke, ich habe keinen Telefonservice bestellt, vermute Alice, vodafone, arcor, versatel & Co, - und: "euch werde ich Beine machen, nicht in dem rüden Ton!"
Nun, ich wollte ja sowieso los und gehe dem Vertreter entgegen. Aber es kommt keiner. Auf dem Hof ist auch niemand, ich lausche ins Vorderhaus und höre weiter oben auf der Treppe Stimmen.
Habe ich Lust zu warten? Nein. So wichtig ist es dann auch nicht.
Ich steige auf mein Rad und fahre los. Nach 20 Metern fällt mir wieder ein, dass ich noch ein Brot holen wollte, also retour und in die andere Richtung...
Justament in diesem Augenblick treten zwei Herren aus dem Haus, von denen der eine so derartig vertretermäßig aussieht, dass einem schon schwindlig werden kann: südländischer Typ - wir erinnern uns an die stuttgarter Staubsaugervertreter in dem Film "Die Blume der Hausfrau", solariumsdunkelgebräunt mit viel Spüli im Haar, - vermutlich in diesem Falle aber nicht halbitalienischer (wie im Film), sondern eher vollarabischer Herkunft, und – wie sich gleich herausstellen sollte - in passablem Hochdeutsch. Der andere war klein, etwas älter und machte in seinem bräunlichen Anzug keine gute Figur.
"Sie haben gerade bei mir geklingelt", spreche ich den jüngeren an "obwohl Sie gar nichts von mir wollten." Und:" Sie sollten sich den pampigen Ton abgewöhnen."
"Ich, ich hab gar nichts", versucht er sich zunächst etwas überrascht rauszureden, aber als ich dann nicht locker lasse, räumt er ein, dass er mit seinem dicken Daumen von einer anderen Klingel angerutscht sei. Er führte mir den Bewegungsablauf mit seinem "viel zu großen" Daumen in der Luft vor.
"Ach", sage ich "dann wollten sie also im Hinterhof auf den Dachboden? Da wohnt aber gar keiner!" Ich komme in Fahrt. "Da ist noch nicht mal eine Klingel, von der man abrutschen könnte!" Der Begleiter wird noch kleiner und nun auch noch ziemlich dunkelrotfleckig im Gesicht. Der Spüli-Mann grinst dreist. "Gehnse sich doch beschweren!"
Scheiße. Schachmatt.
Bevor der mir verrät, wo ich mich beschweren könnte, liegt Berlin am Meer und Neukölln ist ein Heilbad. Hocherhobenen Hauptes verlasse ich die Arena und kaufe endlich mein Brot.

Heute entdecke ich in meinem Briefkasten einen Zettel. Hab ich den gestern übersehen? Haben die beiden Burschen es doch geschafft, in Windeseile überall Zettel in die Kästen zu werfen? Auf dem irgendwas von Telecom und Service steht und der mit seiner amtlich wirkenden zart angegrauten gelben Farbe und einem aufgedruckten schwarzen Posthörnchen, das das Flair der guten alten Bundespost vermittelt und an Zeiten erinnert, als Telefonleitungen und Apparate auch noch komplett der Post gehörten. Dazu kommt Text, der nicht zufällig wie Schreibmaschinengetippe aussehen soll und damit eine gewisse Seriosität ausstrahlt, die aber schnell auffliegt, denn irgendwie ist es in der ganzen Schlichtheit, mit der sich altes bürokratisches Postgebaren breit macht, einfach einen Tick romantische Einfachheit zu viel. Und als ich später nachforsche, um was für einen dubiosen Telefon- Anbieter oder vielmehr: worum es sich beim Telecom-Service-Deutschland eigentlich handelt, treffe ich nullkommanix auf Warnungen über Warnungen.
Hier nur ein Beispiel beim Verbraucherschutz-Forum...
Und ich warne jetzt hier auch – nicht nur vor dem Umgangston von spülischmierigen Klinkenputzern und Briefkastenüberfüllern.




Wer sieht denn schon das kleine Wort WERBUNG in der Ecke?

Hier noch ein paar Links zur Geschichte:
Blume der Hausfrau (Der Film)
Blume der Hausfrau (Die weiße in der "Düsenfamilie"...)
Es war einmal: Die Deutsche Bundespost
Ich wusste gar nicht, dass das Wort
"justament" dem Östereichischen entliehen ist und bei uns eigentlich nur die kurze Form "just" üblich - inzwischen aber auch veraltet - ist...

PS: Wenn mir die PinAG Post bringt, klingt das übrigens so:
Gutte daag, is Post fier Sie.

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