Samstag, 31. Mai 2008

Wir leben noch!

Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang
wir leben nicht mehr lang, wir leben nicht mehr lang
am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang
wir leben nicht, wir leben nicht mehr lang.
Doch keiner weiß in welchem Jahr
und das ist wunderbar.
Wir sind vielleicht noch lange hier
und darauf trinken wir.

(Meine Eltern haben seinerzeit schnell noch einen Tag vorher geheiratet, man weiß ja nie....)

Mein schönster Nach-dem-Weltuntergang-Morgen war der 31. Mai 2003
Da gab es nämlich sehr früh eine Sonnenfinsternis zu sehen.
Eine kleine Rückschau zur Erinnerung:

SOFI 2003 oder Wie sich ein Polizist auf morgendlicher Streife fast einen Arbeitsunfall zugezogen hätte.

Nur wenige Stunden nach Weltuntergang, der ja bekanntlich am 30. stattfindet, sollte sich am 31. Mai 2003 die Sonne verfinstern.
Also: Aufgestanden um 4:15.
Es war schon relativ hell und jede Menge Vögel zwitscherten heftig um die Wette. Nichts deutete darauf hin, dass da draußen gerade eine Sonnenfinsternis im Gange war.
Auf den Kreuzberg gestiefelt, wie etwa 50 andere Neugierige auch.

gebannte ZuschauerWann geht's denn nun endlich los? Von Sonne war noch lange nichts zu sehen und der berliner Horizontdunst drohte das Schauspiel auch noch um eine weitere Zeitspanne hinauszuzögern. Aber dann, zwischen Dächern und Bäumen, die Finsternis war schon voll im Gange, ging eine halbe rote Sonne auf. Schön. Ich wollte andächtig sein und dabei schöne Fotos machen. Andacht ging nicht so gut, weil einige der Zuschauer eher in Lärmlaune waren, das betraf übrigens auch die Vögel, die angeblich bei solchen Ereignissen in tiefes Schweigen verfallen - ich kann das nicht bezeugen - und weil außerdem ein unvermeidlicher Trommler auftauchte, der mit seiner Geräuschkulisse zumindest zur Freude der anderen seinen Beitrag leistete.
Des weiteren waren inzwischen zwei Streifenpolizisten aufgetaucht, die die ganze Veranstaltung überwachten. Neben mir ein Franzose, der das Wort Finsternis weder aussprechen konnte noch verstand und sein Dolmetscher, der sich redlich Mühe gab. Die Sonne wurde zwar immer dünner aber mit ihrem gleichzeitigen Aufstieg trotzdem heller.

Der heilige GralDie Polizisten waren noch sehr jung und der eine zumindest auch sehr unerfahren, denn plötzlich hörte ich ihn stöhnen: "Ich kann nichts mehr sehen! Ich kann nichts mehr sehen, ich habe zu lange in die Sonne geguckt!" Er hielt sich die Augen zu und verdrehte sich. Ich deutete ihm an, dass er dieses Missgeschick wohl schwer als Arbeitsunfall deklarieren könnte, er widersprach mir aber mit einem trotzigen 'doch!'. Der andere Polizist stellte derweilen fest, dass die Beschriftungen am Denkmal nach der Restaurierung in den letzten Jahren falsch angebracht worden sei. "Das ist ja alles falsch! Das habnse ja vertauscht!" Ich schaute das Denkmal an, überlegte und musste feststellen, dass ich keine Ahnung hatte, wie es richtig sein müsste.

Schöne Sofi-BrilleIch versuchte schöne Fotos zu machen, da ich mich aber gar nicht mit den nötigen Belichtungszeiten und Blenden für solche Gelegenheiten auskenne, hab ich so vor mich hingeknipst. Der Trommler trommelte, leere Flaschen klapperten und die Vögel piepsten. Ab und zu sah ich durch mein altes Röntgenbild - ein schönes Schulterstück - oder verlieh es an den Franzosen und seinen Dolmetscher, damit sie sich keine Augenschäden holen würden, denn sie hatten keine Schutzbrillen von vergangenen Veranstaltungen vergleichbarer Art, im Gegensatz zu vielen anderen Anwesenden.
Der Dolmetscher meinte schließlich: das sei aber nun wirklich schön und so passend zum Kirchentag. Ja, sage ich, das ist ein Gottesbeweis, der sich gewaschen hat! Der Streifenpolizist konnte tatsächlich auch wieder sehen und zeigte mir ganz aufgeregt vor Freude ein 'Foto', dass er gerade mit seinem Mobiltelefon gemacht hatte. Ich hab sie! Ich hab sie!"Das isse, das isse!" rief er. Wer? Was? "Na die Sonne! Ich habse!" Ich schaute auf den kleinen Monitor seines Telefons, erkannte nichts, vermutlich weil ich meine Brille nicht aufhatte, nickte ihm aber aufmunternd zu.

Und dann gings so weiter - auf Erden: heidnische Trommel-Riten, aus Angst, dass es die Sonne diesmal nicht gebacken kriegt, wieder ganz zu werden, - dazu gab's Sekt, Bier, Wein, Wasser und Kaffeebecher von der Tankstelle, je nach Geschmack - und am Himmel: Sonne, Sonne und noch mal Sonne und nicht, wie später im Radio berichtet: Alles bewölkt und nichts zu sehen.


Hier kann man sehen, was mein Röntgenblick durch die angesagten Wolken hindurch gesehen hat...
Für Sofiisten: Mehr Hintergrundinfos zur SOFI 2003

Vorschau auf die SOFI 2008, am 1. August
bei eclipse.astronomie.info (aufs Bild klicken):

PS: Weitere verpasste Weltuntergänge sind hier aufgelistet.

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